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Linienbandkeramik in Sachsen

Heimatverein Rückmarsdorf e. V.:


Seit über 20 Jahren entsteht in Leipzig-Rückmarsdorf im Rahmen eines Bebauungsplanes sukzessive eine Eigenheimsiedlung, deren vorerst letzte Phase im Januar 2021 begann. Das Vorhabengebiet befindet sich auf einer schon bekannten Fundstelle und spätestens durch die Vorgängergrabungen von 2017 wurde ersichtlich, dass sich hier ein größeres Siedlungsareal des Frühneolithikum (ca. 5400–4500 v. Chr.) befindet.

Vor Beginn der archäologischen Untersuchung war noch nicht zu erahnen, dass gemessen an dem relativ kleinen Grabungsareal von weit weniger als einem Hektar so großflächige sowie teils komplexe Befundstrukturen mit zahlreichen Funden zum Vorschein kommen würden.


Das Untersuchungsgebiet befindet sich im Westen des Stadtgebietes von Leipzig auf einem eiszeitlich entstandenen Höhenzug, der allmählich von Ost nach West ansteigt, bevor er steil in das Flusstal der Bienitz abfällt. Auf den eiszeitlichen Ablagerungen bildete sich eine 50 bis 70 cm starke Decksandschicht, aus der sich im Laufe der Zeit Parabraunerden entwickelten. Linienbandkeramische Siedlungen im Sand kommen zwar vor, sind aber sehr selten, denn die ersten Bauern Mitteleuropas bevorzugten eigentlich fruchtbarere Böden, wie bspw. in Lössgebieten.


Bereits um 1900 haben sich zahlreiche Forscher mit dem Frühneolithikum im mitteldeutschen und somit auch im sächsischen Raum beschäftigt. Selbst der Kulturname »Bandkeramik« geht auf eine hallische Arbeit von F. Klopffleisch zurück, die sich schon im Jahre 1884 mit der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete befasste. Innerhalb der sächsischen Grenzen lassen sich für das Frühneolithikum drei geographisch mehr oder weniger geschlossene Gebiete unterscheiden: die Dresdner Elbtalerweiterung, Teile des Mittel- und Nordsächsischen Lösshügellandes und Nordwestsachsen, das sowohl den südlichen Rand der Leipziger Tieflandsbucht als auch Teile der angrenzenden Lösshügelländer abdeckt. Anders als bei den meisten vor- und frühgeschichtlichen Kulturen stammt unser Wissen über das Frühneolithikum vor allem aus Siedlungen. Die im anstehenden Boden zu erkennenden Pfostengruben zeigen die für die Linienbandkeramik typischen Langbauten an. Es sind rechteckige Gebäudegrundrisse von etwa fünf bis sieben Metern Breite und einer stark variierenden Länge von zehn bis über 50 m. Die relativ klare Trennung der linienbandkeramischen Gebäudeteile verschwindet im Laufe der Zeit. Neben den Hausgrundrissen gibt es noch eine Reihe von Befunden, meist Gruben, die unterschiedliche Funktionen hatten. Doch nur in seltenen Fällen (z. B. bei Gräbern und Öfen) kann man deren primäre Funktion direkt nachweisen. Meist muss man sich auf Vermutungen beschränken, dass die Gruben für wirtschaftliche Zwecke ausgehoben und genutzt wurden, z. B. als Lehm­entnahmegruben oder als Speicher für Getreide. Besondere Grubenformen wie die langschmalen und tiefen Schlitzgruben weisen auf besondere Tätigkeiten hin, deren Deutung allerdings noch unklar ist.


Eine Befundart, die erst in den letzten drei Jahrzehnten vermehrt aufgefunden wurde, sind Brunnen. Sie gewinnen ihre Bedeutung aus der überdurchschnittlichen Tiefe von mindestens vier bis über sechs Metern, in einem Fall sogar 13 m. Dadurch, dass sich die untersten Teile in vielen Fällen bis heute im stets feuchten Milieu befanden, erhielt man eine für diese Zeit in Mitteleuropa einmalige Erhaltung von organischen Materialien, die ansonsten nur im verkohlten Zustand vorkommen. So haben die Brunnen das Spektrum der üblichen Fundmaterialien, die sich zumeist auf Stein, Keramik, gebrannten Lehm, gelegentlich – bei guten Erhaltungsbedingungen in kalkreichen Böden – Knochen und Holzkohlen sowie verkohlte Nutzpflanzenreste beschränken, wesentlich erweitert. Beim Fundgut ist zuallererst die Keramik zu nennen, die ja eines der Hauptcharakteristika der neuen neolithischen Epoche bildet. Die Verzierungen aus Linien und Einstichen sind nicht nur namengebend, sondern bilden auch das typologische Gerüst. Keramik tritt im Fundgut am häufigsten auf, schließlich brauchte jeder Haushalt eine große Anzahl von Tongefäßen zum Kochen und zum Aufbewahren von Nahrungsmitteln. In den Siedlungsgruben kommt Keramik in der Regel nur in Form von Scherben vor. Einzelne vollständige Gefäße stammen zumeist aus Gräbern, seltener aus Gefäßdeponien oder auch aus Brunnen. Die häufigsten Gefäßformen sind die Schale, der Kumpf und die Flasche.


Neben der Keramik weisen Steingeräte und deren Bearbeitungs­reste (Abschläge) das höchste Fundaufkommen auf. Dabei sind vor allem die geschliffenen Steinbeile das Charakteristikum des Frühneolithikums. Es handelt sich um zahlreiche verschiedene Beiltypen unterschiedlicher Form. Große und kleine Exemplare von flachen Hacken, kleinen Meißeln bis zu hohen Dechseln – früher auch »Schuhleistenkeile« oder oftmals auch »Donnerkeile« genannt – mit schmaler bis breiter Klinge. Entsprechend ihrer Form waren sie quer oder längs geschäftet, wofür vermutlich ein Holzholm verwendet wurde. Erst gegen Ende der Linienbandkeramik werden auch gelochte Äxte hergestellt, wovon häufig Bohrkerne zeugen.


Die etwa 380 Befunde er­brachten knapp 29000 Fund­stücke, darunter über 23000 keramische Objekte, über 4700 Silex Artefakte (Kerne, Klingen, Abschläge u. a.), knapp 600 Stein Artefakte (Beile, Dechsel, Mahl­steine u. a.).


Ein weiterer fast vollständig erhaltener Hausgrundriss be­fand sich direkt südlich des großen Befundkomplexes. Erst ein bis zwei Plana tiefer bil­deten sich erste Pfosten ab. Dieses Beispiel veranschau­licht eindrücklich die schlechte Be­funderkennung vor Ort, da in diesem Beispiel die Pfostengruben hauptsächlich wieder mit den anstehenden Sanden verfüllt waren. Und weitere 7000 Jahre Bodenbildung erschweren die Befund­lokalisierung zusätzlich.


Weitere Beschreibungen zu den Grabungsfunden sind auf einer Schautafel im Rückmarsdorfer Wasserturm zu finden.

Matthias Götz

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